Olgas Hof - Alte Volkskunst neu gestaltet
Bei der Suche nach einem interessanten Ausflugsziel hatte eine junge Dozentin eine zündende 
    Idee. Sie brachte "Olgas Hof" ins Gespräch. Nach etwa dreißig Kilometern bogen wir von 
    der Hauptstraße ab. Nach wenigen Metern fuhren wir in ein umzäuntes Grundstück, auf dem 
    mehrere Holzhäuser gruppiert waren. Einige waren alt und restauriert, einige in altem Stil 
    neu errichtet. So konnte man es den Worten entnehmen, mit denen uns der Hausherr begrüßte.
 
    Das war ein junger Mann in russischer Tracht: Hemd, Hose, Stiefel. Zusammen mit seiner Frau 
    widmete er sich dem alten russischen Brauchtum. Die beiden sammelten gewebte Tücher, 
    restaurierten sie oder webten neue nach alten Motiven. Diese Tücher hingen an den Wänden und 
    schmükten den großen Raum, der fast die gesamte Fläche des Holzhauses einnahm. Man sollte 
    sich - meinte der Hausherr - die so geschmückte Halle bei einer Hochzeitsfeier vorstellen. 
    Die Braut zeigte den Hochzeitsgästen ihre Aussteuer. Die Qualität des Gewebten und Gestickten 
    war  natürlich von kundigen und erfahrenen Frauen vorher geprüft worden.
    Besonders beeindruckend war ein Tuch, das um die Ikone im Herrgottswinkel gelegt war. Dieses 
    Tuch, in feinsten Mustern gewebt und in verschiedensten Farbetönen harmonisch abgestimmt,
    reichte bis fast zum Boden.
    Kaum hatte man sich in die textile Vielfalt eingesehen, wurde Tee serviert und köstliche 
    Blinis, gefüllt mit Gehacktem und Kraut oder süß mit Honig getränkt. Man war gerade auf den
    Geschmack gekommen, begann schon die nächste Präsentation des Hausherrn. Auf einem großen 
    Rad - mit Stoff gespannt -  waren Puppen geheftet. Puppen, die von den Bäuerinnen für ihre
    Kinder gebastelt und genät wurden. Er könne noch Stunden über die einzelnen Puppen und ihre 
    Bedeutung erzählen, meinte der Hausherr. Die Zeit war aber vorüber. Wir mussten fahren. 
    Aber noch schnell - bitte - dieses Püppchen. Ihm vertraute man seinen Ärger, seinen Kummer, 
    seine Sorgen an, abends vor dem Schlafengehen. Dann legte man das Püppchen unter das 
    Kopfkissen, und wenn man niemanden etwas davon erzählte, waren Sorgen und Kummer am Morgen 
    verflogen. Diese Puppen gab es als Souvenir leider nicht zu kaufen. Vielleicht beim
    nächsten Mal. Allen war klar, ein nächstes Mal wird es auf jeden Fall geben.
Dr. D. Weißenborn, September 2013
