Wohnen und Leben in alten Pskower Kaufmannshäusern
Ein Bericht zum Vortrag von Dr. Dieter Weißenborn
 Juri Pawlowitsch Spegalskij (1909 – 1969) war Pskower von Geburt und von Beruf 
    gelernter Maurer, studierter Ingenieur und Maler mit Doktortitel.
    Juri Pawlowitsch Spegalskij (1909 – 1969) war Pskower von Geburt und von Beruf 
    gelernter Maurer, studierter Ingenieur und Maler mit Doktortitel.
    Ihm ist es zu verdanken, dass die Pskower Bürgerhäuser des 17. Jh. nicht in Vergessenheit 
    gerieten. Das waren Häuser - man kann durchaus von Wohnpalästen sprechen - von Pskower 
    Kaufleuten, die durch Handel mit dem Baltikum und darüber hinaus sehr reich geworden waren.
    Juri Spegalskij, bekennender Heimatfreund von Jugend an, hat in seiner Tätigkeit als 
    Restaurator in Diensten des Pskower Museums über 50 dieser Wohnpaläste – russisch: 
    Palati – aus Schutt und Asche der Kriegszerstörungen wieder aufgefunden, dokumentiert 
    und teils auch rekonstruiert. 
    Sein Hauptverdienst bestand darin, dass er mit bestem fachlichen Können ausgestattet, die 
    ehemaligen Standorte dieser großen Gebäudekomplexe vermessen hat und in Ausschnittsplänen 
    kartographisch festgehalten hat.
    Doch dabei blieb es nicht. Wenn der Architekt Spegalskij seine Arbeit getan hatte, setzte er 
    sein Können als Maler ein. Es blieb nicht bei Architekturskizzen, sondern Schwarz-Weiß-
    Zeichnungen und Aquarelle ließen die Prachtbauten vor den Augen der Betrachter wieder lebendig 
    werden.
    Ein anschauliches und wohl auch das prominenteste Bauwerk ist der Pogankin-Palast, genannt 
    nach seinem Besitzer, einem reichen Pskower Kaufmann. Er hatte sein Geld durch den Handel mit 
    Leinen, Hanf und Tuchen gemacht. 50 Geschäfte nannte er sein Eigen, aber auch eine Gerberei, 
    einen Steinspeicher und anderes mehr. Es gehört in dieser Zeit, dem 17. Jh. dazu, dass ein 
    solcher Mann auch gewählter Stadtvertreter war, Chef der Stadtbank und Haupt des Zollamtes. 
    Das Geld sprudelte also aus verschiedensten Quellen. 
    Diesen Bau – auch die Gemächer der Pogankins genannt – nahm Spegalskij genau unter 
    die Lupe. Zwei Ergebnisse sind von großer Bedeutung für die Bauforschung: Spegalskij fand 
    heraus, dass auf zwei Steinetagen ein hölzerner Aufbau saß. Diese Holzetagen sahen sehr 
    schmuck aus. Sie krönten die nüchternen, zweckmäßigen Steinetagen. "Im Holz" wohnte die 
    Familie, denn die Russen mutmaßten, dass Stein "den Körper aussauge". Von Holz umgeben, lebe 
    man gesünder, hieß es.
 Warum baute man dann überhaupt in Stein? Nun, der Zar hatte in einem Erlass befohlen, dass 
    Wohlhabende in Stein zu bauen hätten. Die Regierung in Moskau wollte nicht immer wieder von 
    verheerenden Bränden in den Städten aufgeschreckt werden. Moskau war immerhin mehrmals 
    abgebrannt, solange nur in Holz gebaut wurde und die Häuser eng an eng standen.
    Warum baute man dann überhaupt in Stein? Nun, der Zar hatte in einem Erlass befohlen, dass 
    Wohlhabende in Stein zu bauen hätten. Die Regierung in Moskau wollte nicht immer wieder von 
    verheerenden Bränden in den Städten aufgeschreckt werden. Moskau war immerhin mehrmals 
    abgebrannt, solange nur in Holz gebaut wurde und die Häuser eng an eng standen.
    Zurück nach Pskow. War der Stein bisher dem Kirchenbau vorbehalten, so durfte er jetzt auch 
    für weltliche Bauten verwendet werden. Die reichen Kaufleute nutzten diese Möglichkeit 
    reichlich, denn ihr Prestige stieg im wahrsten Sinne des Wortes sichtbar. Die Hintertür 
    für gesundes Wohnen hielt man sich offen in den oberen hölzernen Wohnetagen.
    Sie entdeckt zu haben, ist das eine Verdienst des akribisch arbeitenden Architekten 
    Spegalskij. Ein anderer Erfolg ist die Entschlüsselung der Eingänge in diese Wohnpaläste. Sie 
    lagen immer im Innenhof und eine steile, breite Steintreppe führte in die erste Etage. Hier 
    lagen die Empfangsräume, die Speisesäle und die großen Räume für Folklore, Tänze und Spiele.
    Der Innenhofcharakter diente der Sicherheit. Pskow war immer Grenzstadt und niemals sicher vor 
    feindlichen Attacken. 
    Die steile Treppe, die man als Gast emporsteigen musste, kostete schon einmal Kraft, und 
    beeindruckt war man auch, wenn man oben am Treppenabsatz den Hausherrn stehen sah, der 
    gelassen auf die Gäste herunterschauen konnte.
    Diese Struktur eines Wohnpalastes fand Spegalskij an allen anderen von ihm aufgespürten 
    Palästen.
    Der Pogankin-Palast bleibt für den Pskow-Besucher jedoch der eindringlichste, weil er auch 
    heute noch Bestand hat. In ihm ist das Pskower Museum untergebracht. Wenn man als 
    Museumsbesucher die Kunstschätze genossen hat, sollte man sich einen zweiten Durchgang 
    gönnen und das Gebäude als den Wohnsitz eines reichen Pskower Kaufmanns des 17. Jh. 
    erleben.
    Übrigens: Der Palast der Menschikows, einer anderen Pskower Kaufmannsfamilie des 17. Jh., 
    wurde – wie es heißt – von einem Moskauer Investor erworben und in ein Hotel mit 
    verschiedenen Restaurants umgewandelt. Und das geschah denkmalgerecht im alten Stil. Auch hier 
    klimmt man eine steile Treppe empor, um es sich dann in großzügigen Gasträumen in altem 
    Gemäuer gut gehen zu lassen.
    Viele Einrichtungsgegenstände in den restaurierten Räumen sind alt oder getreu der alten 
    russischen Volkskunst nachempfunden.
    Auch hier kann Spegalskij Pate stehen. Bei seinen Forschungen fand er im Kulturschutt Kacheln 
    von alten Kachelöfen bis hin zu Resten alter Ikonenschränke. Ein solcher Ikonenschrank 
    – auch Kiot genannt – befand sich in repräsentativen Räumen und reichte vom Boden 
    bis zur Decke.
    Der wirtschaftliche Aufschwung und der Bauboom in Pskow zu Beginn des 17. Jh. hat erstaunliche 
    Parallelen zu Neuss.
    Beide heutigen Partnerstädte mussten am Ende des 16. Jh. herbe Schläge erdulden. In den 
    1580-er Jahren stand ein 100.000 Mann starkes polnisches Heer vor Pskow. Das Kriegsglück 
    wechselte häufig. Und die Stadt Pskow war am Ende verwüstet.
    In den 1580-er Jahren eroberten die Truchsessischen Neuss und ein verheerender Brand gab der 
    Stadt den Rest. Erst Anfang des 17. Jh. ging es auch in unserer Stadt wieder bergauf.
    Das ist wahrlich eine Duplizität der Schicksalsschläge, die beide Städte erlitten und 
    verkraften mussten.
Text: Dr. D. Weißenborn
